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Wen(n) Amerika wählt

DiensTalk vom 04. November 2008:

„Es ist ein besonderer Wahlgang, er wird hier in den USA als historisch empfunden.“ Mit einer Live-Telefonverbindung nach South Carolina – Gesprächspartner von LGF Bernhard Rinner war Klubobmann Christopher Drexler – begann der DiensTalk in der Grazer VP-Landesparteizentrale, der sich mit der Liveübertragung der CNN-Wahlberichterstattung bis in die Morgenstunden hinziehen sollte.
Als Podiumsreferenten hatten sich der ehemalige ORF-Korrespondent Prof. Klaus Emmerich, Daniel Froats, Erster Botschaftssekretär der US-Botschaft Wien, der Soziologe Univ.-Prof. Dr. Manfred Prisching und die in Graz studierende amerikanische Studentin Jeanne Marie Schwarz eingefunden. Es moderierte Eva Weissenberger.

Europa würde Obama wählen

Die Sympathien lagen auf Seiten Barack Obamas. „Obwohl ich inhaltlich eher mit den Republikanern sympathisiere, habe ich Obama gewählt.“, bekannte Jeanne Marie Schwarz, die vor allem John McCains Vize-Präsidentschaftskandidatin Sarah Palin scharf kritisierte. „In Zeiten einer Wirtschaftskrise ausschließlich über Abtreibungsgesetze diskutieren zu wollen, zeugt von einer falschen Prioritätensetzung für Amerikas Politik.“, begründete Schwarz ihre Wahlentscheidung. Die meisten Europäer würden Obama wählen, war sich der Soziologe und Amerika-Kenner Manfred Prisching sicher.

Is he ready to lead?

Prof. Klaus Emmerich warf die Frage auf, ob Obama auch die notwendigen Qualifikationen aufweise, Amerika durch die anstehenden schwierigen Zeiten zu führen. „Die Finanz- und Wirtschaftskrise trifft Amerika mit voller Wucht. Unter diesem Gesichtspunkt wird es der nächste Präsident sehr schwer haben. Obama hat sicher eine hohe rhetorische Begabung und verfügt über viel Charisma, das ist keine Frage, aber ob er eine Supermacht führen kann?“
Prisching wartete mit einem Pro-Argument auf: „Historisch gesehen waren sowohl die Wirtschaftslage als auch die Arbeitslosenrate unter demokratischen Präsidenten immer besser.“ Man müsse der amerikanischen Gesellschaft eine „unglaubliche Stärke und Wandlungsfähigkeit“ zubilligen. „Obama verkörpert den amerikanischen Traum – vom Tellerwäscher zum Millionär, zu Boden gehen und sofort wieder aufstehen. Psychologisch kann das eine große Auswirkung auf die Bevölkerung und damit auf das ganze Land haben.“

Black or white?
Diskutiert wurde selbstverständlich auch die Frage, ob Amerika für den ersten afroamerikanischen Präsidenten bereit sei. Während Prisching gestand, dies lange bezweifelt zu haben, relativierte Daniel Froats von der US Botschaft in Wien die Wichtigkeit dieser Frage. „Unterschiedliche Nationalitäten, Kulturen und Religionen werden in Amerika viel leichter und schneller akzeptiert als in Europa. Amerikanern ist es egal, ob schwarz oder weiß oder lateinamerikanisch, sie fühlen sich sehr schnell und vor allem als Amerikaner. Viel wichtiger als die Frage der Hautfarbe ist bei dieser Wahl die Frage nach den Inhalten. Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise sind die sehr unterschiedlichen Standpunkte beider Kandidaten in der Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik viel entscheidender für den Ausgang der Wahl, als die Frage nach der Hautfarbe.“

Yes, we can!
Bereits wenige Stunden nach der Diskussion wurden viele der aufgeworfenen Fragen vom amerikanischen Wähler beantwortet. Bekanntlich ist Amerika sowohl bereit für einen afroamerikanischen Präsidenten, als auch für Obamas Wirtschaftsprogramm, das unter anderem eine teilweise Rücknahme der von Präsident Bush durchgeführten Steuerkürzungen vorsieht. Was Obama wirklich kann, wird die Welt ab 20. Jänner 2009 sehen. Dann wird Barack Obama als 44. Präsident der USA angelobt.