DiensTalk 23. April 2013: Patchwork-Familie am Prüfstand
Zukunftsmodell oder Sackgasse?
Der zweite DiensTalk der Frühjahrssaison sorgte wiederum für eine lebhafte Diskussion im Hause der Steirischen Volkspartei am Karmeliterplatz. Die Familiensprecherin der Steirischen Volkspartei, LAbg. Eva Maria Lipp, konnte in Vertretung von Landesgeschäftsführer Mag. Bernhard Rinner als Experten am Podium begrüßen: den Arbeits-, Sozial- und Familienforscher Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Mazal, die Journalistin und Autorin Melanie Mühl und die Redakteurin Mag. Colette M. Schmidt. Durch den Abend führte Dr. Gisela Hopfmüller.
Nichts Kaputtes sondern etwas sehr Lebendiges
„Patchwork ist kein Modell“, mit dieser Aussage überraschte Colette Schmidt. Ein Modell sei planbar, Patchwork-Familien würden aus der Situation heraus entstehen. Niemand würde sich das bewusst wünschen. Für eine Großfamilie, wie es eine Patchwork-Familie ist, müsse man sich nicht genieren, es sei nichts Kaputtes, sondern etwas sehr Lebendiges. „Wenn sich die Kinder wohl fühlen, dann muss man das nicht schlecht machen“, so Schmidt und ergänzte: „Man müsste auch das Buch die Ehelüge schreiben, weil so viele Ehepartner nur mehr wegen der Kinder zusammenleben.“
Kinder bleiben zurück
Melanie Mühl, Autorin des Buches „Die Patchwork-Lüge“, ist selber in einer Patchwork-Familie aufgewachsen. Ihre Kritik richtet sich vor allem an die Medien: Sie würden ein idealisiertes und schönes Bild über die Patchwork-Familie zeichnen. TV- Sender würden die glückliche Patchwork-Familie für ihren Erfolg missbrauchen, da sich in Wahrheit niemand das Scheitern gerne anschauen würde. „Für die Erwachsenen mag mit der Patchwork-Familie ein neues Leben beginnen, vielfach bleiben aber die Kinder zurück“, so Mühl. Man müsse erkennen, wie schwierig der Prozess des Miteinanders in einer Patchwork-Familie sei. „Die Eltern sind das erste Liebespaar, das die Kinder sehen.“ Sie zeigte sich überzeugt, dass diese Erinnerungen nicht so einfach überwindbar sind. „Es gibt Tendenzen, dass Scheidungskinder Schwierigkeiten haben, Bindungen einzugehen. Kinder bemerken, dass etwas zwischen den Eltern vorgefallen ist und spüren die Verletzungen.“
Das Leben braucht unüberprüfbare Beziehungen
„Unsere Gesellschaft ergötzt sich an der Kommunikation des Defizitären. Jeder Mensch steht ständig am Prüfstand. Das Leben braucht aber unüberprüfbare Beziehungen. Wir sollten wieder einen neuen Zugang zum Leben gewinnen“, sagte Wolfgang Mazal. Der Wunsch nach einer perfekten Familie würde bereits das Scheitern in sich tragen. Mazal zeigte sich überzeugt, dass viele Paare von den idealisierten Bildern überfordert sind. Die Gesellschaft müsse sich den Luxus leisten, sich endlich der Realität zu stellen. Kritisch äußerte sich Mazal in Richtung Wirtschaft: „Die Wirtschaft überfordert die jungen Menschen, sie haben nicht mehr die Möglichkeit sich zu entfalten.“ Er sieht darin auch vielfach den Grund, dass Beziehungen scheitern. In Krisenzeiten wünschen sich die Menschen den Zusammenhalt. Das sehe man an der steigenden Zahl der Eheschließungen in den letzten 3 Jahren. „Die Menschen sehnen sich nach Verlässlichkeit und möchten nicht ständig am Prüfstand stehen“, so Mazal.