Ist Gerechtigkeit nur eine Illusion …
… und Davids Sieg über Goliath eine Ausnahme?
DiensTalk am 25. Oktober 2011, 19 Uhr
Umweltkatastrophen, Flugzeugabstürze und der Solosechser im Lotto. Die Frage nach der (fehlenden) Gerechtigkeit im Leben beschäftigt uns Menschen fortwährend. Für Gastgeber und Moderator Bernhard Rinner Grund und Anlass, um mit dem Wissenschaftler und Buchautor Rudolf Taschner und Weihbischof Franz Lackner der Frage nach der Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft im Rahmen eines DiensTalks auf den Grund zu gehen.
Streben nach Gerechtigkeit kann gefährlich sein!
Für den Wissenschaftler Rudolf Taschner kann der Wunsch nach Gerechtigkeit auch gefährlich sein, wenn Gerechtigkeit mit Gleichheit gleichgesetzt wird. „Gerechtigkeit ist ein Kunstprodukt, das von der Gesellschaft geschaffen wird. Schon die Natur sorgt dafür, dass wir eben nicht alle gleich, sondern verschiedenartig sind. Wären wir alle gleich, gäbe es für den einzelnen keinen Grund mehr zu existieren.“ Für die Gefährlichkeit, die vom Gleichheitsstreben ausgeht, führt Taschner auch Beispiele aus der Geschichte an. „Immer dann, wenn Menschen dafür eingetreten sind, dass alle gleich sind, haben genau diese dafür gesorgt, dass es ihnen selbst besser geht, als denen, die sie gleichmachen wollen. Das haben wir in den Kommunistischen Regimen gesehen. Aus dem Streben nach Gleichheit entsteht also Ungerechtigkeit.“
Dass das Streben nach Gerechtigkeit jedoch positive Auswirkungen hat, kann auch Taschner bestätigen. „Das Streben nach Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft, ist etwas sehr Wertvolles. Es treibt uns dazu an, Dinge verbessern zu wollen. Nach Gerechtigkeit zu streben ist also durchaus wichtig und gut, Gerechtigkeit zu haben wäre gefährlich.“
Gerechtigkeit als normative Grundlage des Zusammenlebens
Auch Weihbischof Lackner gesteht ein, dass es eine absolute Gerechtigkeit nicht gibt. „Wir leben nicht in einer Welt, in der es Gerechtigkeit für alle gibt. Vielmehr besteht das Streben nach Gerechtigkeit vor allem darin, Ungerechtigkeiten zu vermeiden.“ Dass die Idee der Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft unersetzbar ist, steht für Lackner außer Frage. „Wir brauchen die Gerechtigkeit als regulative Idee und als allgemeine Norm. Nur die Vorstellung von Gerechtigkeit hilft uns dabei, uns um andere Menschen hineinzuversetzen und zu verstehen, wie Menschen um uns herum leben und dadurch Gutes zu tun. Nicht zuletzt diese Norm treibt uns dazu an, Menschen zu helfen und Barmherzigkeit zu zeigen.“
Wissenschaft und Religion waren sich nach diesem Abend darüber einig, dass es die absolute Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft zwar nicht geben mag, dass das Streben danach jedoch für uns alle unersetzlich ist.
Fotos: STVP/Kowatsch/Nestroy