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POLITIK: LUST ODER FRUST?

Wir stehen wenige Tage vor der Nationalratswahl am 29. September. Im Fernsehen läuft auf den verschiedensten Sendern beinahe täglich eine Diskussion der Spitzenkandidaten. Die Zeitungen und Magazine sind voll mit Inseraten und Prognosen, jeder Radiosender bringt Interviews mit Politexperten und -wissenschaftlern und in den Online-Medien und auf Social Media spielt es sich sowieso so richtig ab. Niemand kommt derzeit an der Politik vorbei. Denkt man sich zumindest. Aber erreichen die Politiker überhaupt noch die Bevölkerung? Und macht Politik eigentlich noch Lust oder ist da mittlerweile schon mehr Frust dabei?

Martin Bartenstein, Michael Fleischhacker und Gerald Grosz diskutierten zum Thema „Politik: Lust oder Frust?“ © STVP/Foto Fischer

In der Zentrale der Steirischen Volkspartei auf dem Karmeliterplatz wurden diese Fragen gestern im Rahmen des DiensTalks vor zahlreichen Gästen beantwortet. Unter der Leitung von Moderator Michael Fleischhacker diskutierten Dr. Martin Bartenstein, Unternehmer und ÖVP-Bundesminister von 1995 bis 2008, und Polit-Blogger Gerald Grosz, der von 2008 bis 2013 für das BZÖ im Nationalrat saß. Er eröffnete die äußerst spannende Diskussion mit den Worten: „Jeder Politiker, der nicht mit einer großen Portion Lust seinen Job ausübt, hat nichts in der Politik verloren!“ Klingt einleuchtend, aber gestaltet sich in der Realität nicht immer so einfach. Bartenstein, der insgesamt auf eine mehr als 20-jährige politische Karriere zurückblicken kann, vermisst eine gewisse Kultur in Österreich: „Was soll ein Politiker, der mit Mitte 40 ausscheidet, später beruflich machen? Wie schwer hatte es zum Beispiel Bundeskanzler Alfred Gusenbauer nach seinem Rücktritt? Viele haben ein emotionales Problem, denn nach ihrem Ausscheiden sind sie sehr schnell keine Person der Öffentlichkeit mehr. Und auch die Medien tragen das Ihre dazu bei, indem sie Ex-Politiker oft kaum beruflich Tritt fassen lassen.“ Die Lust, ein politisches Amt auszuüben, würde somit nicht gerade gefördert werden.

 

Warum die Politik mitunter das Vertrauen der Bevölkerung verloren hat, erklärten sich die beiden Diskutanten so: „Es gibt immer und überall gute und schlechte bzw. charakterstarke und charakterschwache Menschen. Das war früher so und das ist heute auch nicht anders, das ist kein Phänomen der letzten Jahre“, betonte Grosz, „es liegt an den Wählern, den wirklichen Charakter der Politiker zu erkennen. Im Parlament sitzen noch immer keine Computer…“

Bartenstein ortete ein strukturelles Problem, viele politische Entscheidungen im öffentlichen Bereich müssten transparenter getroffen werden. Außerdem fehle es ihm an richtigen Programmen und sachbezogenen Themen und an deren Umsetzung. „In Österreich gibt es eine Zeit vor der Wahl und eine Zeit nach der Wahl. Außerdem herrscht im Wahlkampf zu viel Emotion, die ist oft wichtiger als der Inhalt“, meinte der Ex-Minister, der sich zur „aussterbenden Spezies der Stammwähler“ zählt: „Wobei ich zugebe, dass ich mich nach wie vor als Schwarzer sehe und nicht als Türkiser.“

Dem Eindruck der fehlenden Sachthemen konnte sich Grosz anschließen, im derzeitigen Nationalrats-Wahlkampf herrsche eine generelle Inhaltsleere. „Wenn ich an die Wahl 1999 denke, worüber da alles diskutiert wurde: Abfertigung neu, Kinderscheck und vieles mehr. Heute erleben wir in erster Linie einen Hacker-Gate, einen Ibiza-Gate, einen Schredder-Gate und und und“, so der Polit-Blogger in seiner bekannt zynischen Art. Abschließend meinte er, dass sich in Österreich eine „Amerikanisierung des Wahlkampfes“ bemerkbar mache, was auch den Medien zuzuschreiben ist.

Zum Abschluss warf Bartenstein noch einen kurzen Blick auf die kommende steirische Landtagswahl, dort würden im Gegensatz zum Nationalratswahlkampf sicherlich sehr wichtige sachpolitische Themen wie etwa die Gesundheitsreform angesprochen werden. In diesem Punkt handle die Politik auch so, wie es letztendlich sein soll, so Bartenstein: „Eine Linie ist eine Linie. Politik heißt auch lange zu diskutieren, um dann das Richtige zu tun. Ich wünsche der Steirischen Volkspartei, dass sie am Ende das Richtige tut.“

 

 

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